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#wissenundpraxis

Zwei Generationen Hand in Hand: Tipps für die Betriebsübergabe aus der Praxis

Wie gelingt der Generationenwechsel im Handwerk? Die Hürden bei der Übergabe gehören zu den meistdiskutierten Themen im Handwerk. Wir zeigen am Beispiel der Unternehmensgruppe Ihr Wegbereiter mit Stammsitz in Öhringen, wie sie gelingen kann.

04/27/2023

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6 Minuten

Drei Standorte, 420 Mitarbeitende, Geschäftsfelder von Straßenbau bis Bodenaufbereitung: Wer übernimmt die Firmengruppe Ihr Wegbereiter, wenn die aktuelle Geschäftsführung sich aus dem operativen Geschäft zurückzieht? Welche Tipps geben die Verantwortlichen den Handwerksbetrieben, die das Thema angehen müssen? Wir haben Geschäftsführer Eberhard Köhler und seine Nachfolgerin Christine Reutter nach Tipps für einen erfolgreichen Wechsel befragt. Vater und Tochter plädieren im Gespräch für Vertrauen und Freiräume: „Die nächste Generation muss auch eigene Wege gehen können.“

Stammhaus Schneider Ihr Wegbereiter

Die Firmengruppe IHR Wegbereiter bietet Straßen- und Tiefbauleistungen für die öffentliche Hand, für Bau-AGs, Industrie-, Gewerbe- und Privatkunden. Der langjährige Partnerbetrieb von Würth teilt sich in drei Gesellschaften: die Schneider GmbH & Co. KG (gegründet 1903) in Öhringen, die Schneider Bau GmbH & Co. KG (gegründet 1984) in Heilbronn und die Konrad Bau GmbH & Co. KG (gegründet 1914) in Lauda-Königshofen. Die insgesamt 420 Mitarbeitenden erwirtschafteten 2022 einen Umsatz von knapp 94 Millionen Euro.

Aktueller Geschäftsführer der Firmengruppe ist Eberhard Köhler. Er ist 62 Jahre alt, seine Tochter Christine ist genau 30 Jahre jünger. Sie arbeitet im Unternehmen aktuell als Prokuristin der Holding, die als Muttergesellschaft hinter den Standorten steht. Christine Reutter rät Firmenchefs, bei der Frage der Nachfolge nach „Macht und Besitz zu unterscheiden“. Beim Besitz sei auf Gleichstellung zu achten, die Macht im Unternehmen solle bekommen, wer diese tatsächlich auch anstrebe und die Fähigkeiten dazu mitbringe. Eberhard Köhler stimmt zu. Er sieht als Kriterium für eine gute Übergabe eine klare Führungsrolle auch bei der nächsten Generation: „Einer muss den Hut aufhaben.“

Bei Ihr Wegbereiter wurde die Machtfrage im Dialog zwischen den Geschwistern geklärt. Ein Grundprinzip, das die Eltern ihren Kindern frühzeitig weitergegeben haben. Konflikte, sagt Eberhard Köhler, würden auf dieser Basis in konstruktive Bahnen gelenkt und führten häufig sogar zu besseren Ergebnissen als frühzeitige Einigkeit. „Man muss sich nicht blind verstehen, um die Übergabe zu schaffen“, sagt auch Christine Reutter, „aber ohne Vertrauen und ein konstruktives Miteinander geht es auf keinen Fall.“ Als Beispiel nennt Eberhard Köhler die erfolgreiche Zusammenarbeit von seiner Frau Doris und ihm: „Wir sind nicht immer einer Meinung, aber genau das bringt uns weiter.“

Gesellschafter Schneider Ihr Wegbereiter
Familiären Geist ins Unternehmen tragen

Dass die Geschwister sich einig sind, mag Außenstehenden als reiner Glücksfall erscheinen. Die Chancen verbessern sich allerdings deutlich, wenn die Kommunikation stimmt – ob in der Familie oder im Unternehmen. Grundsätzlich sind Betriebe mit kooperativ angelegter Unternehmenskultur attraktiver für potenzielle Nachfolger. „Transparenz und Offenheit werden bei uns gelebt, auch von den Mitarbeitenden“, sagt Christine Reutter. Entscheidend für die Nachfolgeregelung seien persönliche Gründe gewesen, die Geschwister hätten sich beruflich unterschiedlich entwickelt. Am Ende meldete Christine Reutter den Anspruch auf die Führung an. Wobei Eberhard Köhler sich darüber freut, dass alle Ausbildungen gemacht haben, mit denen sie ins Unternehmen passen. Christine Reutter ist Wirtschaftsingenieurin, hat sich also bewusst für einen Beruf entschieden, der den Tiefbau nicht nur aus der Straßenperspektive sieht. Das Unternehmen kennt sie von Kindesbeinen an. Im Rückblick stellt die Prokuristin fest, dass der Nachfolgegeneration die Wege ins Unternehmen sehr früh geebnet wurden. Neben Einblicken am Abendbrottisch sorgten dafür drei Faktoren:

1. Die Kinder wurden sehr früh ins Unternehmen mitgenommen, etwa zu Veranstaltungen. Christine Reutter erinnert sich noch gut an Tage der offenen Tür, Fachtagungen und das Kinderferienprogramm, Baggerfahrten inklusive. Sie ergänzt: „Wir waren auch immer wieder bei wichtigen Terminen dabei, etwa bei Notaren, und es gab immer die motivierende Einladung, sich in Diskussionen einzubringen.“

Stammhaus Shneider Ihr Webereiter Öhringen

2. Die Atmosphäre blieb immer spielerisch, die Erwartungshaltung gedämpft. „Meine Eltern haben nie Druck aufgebaut“, sagt die künftige Firmenchefin. Häufig wurde Christine Reutter stellvertretend für die junge Generation gebeten, sich einzubringen. „Dies hat uns immer den Freiraum und die Möglichkeiten gegeben, uns individuell zu entwickeln.“, so Reutter. Der Boden wurde zugleich sorgfältig vorbereitet. So wurde 2009 eigens eine Übungsfirma im Solarbereich für die Kinder gegründet, damit sie Führung in der Praxis lernen konnten – das Unternehmen besteht heute noch.

3. Eberhard Köhler achtete darauf, nicht die gesamte Lebenszeit in die Unternehmensführung zu stecken. „Bei vielen Firmen sagen die Kinder, sie wollen nicht das stressige Leben ihres Vaters haben“, hat er festgestellt – und immer darauf geachtet, dass es freie Wochenenden und regelmäßige Familienferien gab.

Appetit aufs Unternehmertum wecken

Parallel dazu weckte der Geschäftsführer bei seinen Kindern den Appetit aufs Unternehmertum: „Ich freue mich sehr, dass ich ihnen vermitteln konnte, dass Unternehmer sein neben der persönlichen Belastung auch viele positive Aspekte mit sich bringt. Sie können gestalten, Einfluss auf Entwicklungen nehmen und auch die eigenen Überzeugungen einsetzen, um das Unternehmen in die Zukunft zu führen.“ Dass Ihr Wegbereiter auch eine Anlage zur Bodenaufbereitung betreibt und sich generell für Kreislaufwirtschaft, klimafreundliches Bauen und entsprechende Baustoffe einsetzt, ist Zeichen für das zukunftsgewandte Denken in Geschäftsführung und Familie. Für die Generation, der Christine Reutter angehört, kann das ausschlaggebend für die Wahl des Unternehmens sein.

Was Ihr noch wichtiger ist: „Dass man sich der Familie verbunden fühlt. Ich fühle mich geehrt, meinen Vorgängern folgen zu dürfen und zu können. Ich spüre schon heute eine starke Bindung und das Verantwortungsgefühl für die über 400 Menschen, die bei uns arbeiten und ihre Familien.“

Was aber wäre geschehen, wenn keiner aus der jungen Generation Lust auf Straßen- und Tiefbau gehabt hätte? Für diesen Fall setzt Ihr Wegbereiter seit zwei Jahren gezielt Geschäftsführungen in den Einzelunternehmen der Firmengruppe ein. Die Größe des Unternehmens ist hier ein Vorteil, da sie Mitarbeitenden vielfältige Perspektiven und Karrierewege eröffnet, auch was die unterschiedlichen Fachbereiche vom Straßenbau bis zur Elektromobilität angeht. „Diesen Weg werden wir beibehalten. Unsere Unternehmensgröße bietet Chancen für die Wegbereiter von morgen. Die Unternehmensziele müssen im Blick behalten werden. Qualifizierte Führungskräfte einzubeziehen, ist ein wichtiges Zeichen auch in die Mannschaft: Engagiert euch – ihr bekommt die Chance!“

Christine Reutter und Eberhard Köhler Schneider Ihr Wegbereiter
Böse Überraschungen sind möglich

Wer einen kleinen Handwerksbetrieb führt, muss umso mehr darauf achten, potenzielle Nachfolgende frühzeitig und transparent ans Thema heranzuführen. Welche Folgen es haben kann, wenn das nicht geschieht, hat Eberhard Köhler in jungen Jahren selbst erlebt. Sein Vater hatte einen Handwerksbetrieb im Hochbau. Als er im Alter von 54 Jahren überraschend verstarb, machten die vier Kinder die Erfahrung, „dass nichts geklärt war“, erinnert sich Eberhard Köhler. Glücklicherweise fand sich in der Verwandtschaft ein Vetter aus der Baubranche, der sich bereit erklärte, die Verantwortung zu übernehmen, damit die Kinder noch ihre Ausbildungen beenden konnten.

Aus Gesprächen mit Kolleg:innen weiß Eberhard Köhler, dass Übergaben immer mit Risiken verbunden sind, seien es Familienkonflikte, die erwartete Arbeitsbelastung oder die finanziellen Anforderungen der potenziell Nachfolgenden. Umso wichtiger ist die optimale Vorbereitung. Bei dieser, so Christine Reutter, könnten auch Steuerberater und Notare unterstützen. Mit ihnen können Wünsche der gebenden und nehmenden Generation abgeglichen und Detailfragen geklärt werden, etwa zur steuerlichen Ausnutzung von Freibeträgen.

Es gelte, so ihr Fazit, grundsätzlich eine klare Vorstellung davon zu gewinnen, was geregelt werden müsse, etwa auf rechtlicher und steuerlicher Ebene. Ebenso wichtig sei die Kommunikation ins Unternehmen hinein: „Die Mitarbeitenden müssen möglichst früh wissen, wie es weitergeht, sonst kann es sein, dass sie sich nach einem anderen Arbeitsplatz umsehen.“ Ganz grundsätzlich gelte es, „in Bausteinen zu denken“, die sich dann Stück für Stück zu einer erfolgreichen Übergabe zusammenfügen ließen – unabhängig davon, ob der Stab innerhalb der Familie weitergereicht wird oder nach außen wandert.

Zusammenfassung: Tipps für die Übergabe
  • Besitzfrage von Machtfrage trennen
  • Mögliche Nachfolger:innen auch außerhalb der Familie frühzeitig identifizieren
  • Klare Führungsstrukturen schaffen - eine:r muss den Hut aufhaben
  • Offene, dialogorientierte Firmenkultur pflegen
  • Transparent kommunizieren, insbesondere gegenüber den Mitarbeitenden
  • Möglichst wenig Druck aufbauen
  • Auf eigene Work-Life-Balance achten, um kein abschreckendes Beispiel zu geben
  • Zukunftsthemen im Unternehmen verankern (Beispiel: Klimaschutz)
  • Rechtliche und steuerliche Fragen klären, etwa was die Gesellschaftsform des Unternehmens angeht
  • Externe Beratung in Anspruch nehmen, etwa durch Steuerberater oder Notare
  • Zwischenmenschliches nicht unterschätzen

Digitalisierung als Faktor bei der Firmenübergabe

Handwerksbetriebe, die sich digitalisieren und damit effizientere Abläufe schaffen, genießen offensichtliche Vorteile im Rennen um mögliche Nachfolgende. Wir unterstützen Sie gerne auf dem Weg, mehr Infos finden Sie auf: https://www.wuerth.de/towio

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