Roland Jaspers Rechtsanwalt, Schick und Schaudt Rechtsanwälte PartG mbB, Stuttgart

Kurzer Streifzug durch das Baurecht

Ist die Verwendung der VOB/B ein Risiko?

Um bei komplexen Bauvorhaben Konflikten vorzubeugen, ist es als Architekt und Planer wichtig, sich mit dem aktuellen Baurecht auszukennen. In einem kurzen Streifzug durch das Baurecht geht Rechtsanwalt Roland Jasper auf die Risikofrage zu der Verwendung der VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B) in drei verschiedenen Situationen ein. In der Baupraxis werden häufig die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B) vereinbart. Die VOB/B sind kein Gesetz, sondern stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen dar, welche durch die Regelungen des BGB (§ 305 ff. BGB) zum einen ausdrücklich beim Vertrag mit einbezogen werden müssen und zum anderen einer strengen Inhaltskontrolle unterliegen.

Welches Risiko entsteht dadurch für Planer/Bauleiter?

Ein alltägliches Thema sind Massenmehrungen oder -minderungen und/oder vom Auftraggeber angeordnete Abweichungen der Leistungen vom Leistungsverzeichnis/Angebot/Auftragsbestätigung im Verhältnis zur Schlussrechnung des Auftragnehmers. Die VOB/B regelt das in § 2 (3) und (5): Unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten ist ein neuer Preis zu vereinbaren. Konnten sich die Beteiligten nicht einigen, ging die Sache evtl. vor Gericht. Dort beurteilte in der Regel ein Sachverständiger, ob der neue geforderte Preis auf der Basis der ursprünglichen Kalkulation unter Berücksichtigung von Mehr- oder Minderkosten gerechtfertigt war. Das Gericht schloss sich in der Regel dem an. So war es bis zum 08.08.2019. Der BGH hat in einem Urteil (Az.: VII ZR 34/18) diese Situation aber neu und vollkommen anders beurteilt und die Obergerichte scheinen ihm zu folgen (KG Berlin, Urt. V. 27.08.2019, Az.: 21 U 160/18). Wenn die Beteiligten unter Geltung der VOB/B keine Vereinbarung hinbekommen, und die VOB/B ebenfalls keine Regelung anbietet, wie weiter zu verfahren ist, dann gelten die Regelungen des BGB. Das BGB enthält aber seit 2018 eine Regelung gerade für solche Fälle: § 650c BGB. (1) Die Höhe des Vergütungsanspruchs für den infolge einer Anordnung des Bestellers nach § 650b Absatz 2 vermehrten oder verminderten Aufwand ist nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn zu ermitteln.

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Nach dieser Regelung kann der Auftragnehmer die tatsächlich erforderlichen Kosten ansetzen – und zwar die Kosten im Zeitpunkt der „Nachkalkulation“. Er kann darüber hinaus auch angemessene Zuschläge ansetzen. Der neu kalkulierte Preis hat also mit dem ursprünglich kalkulierten Preis evtl. nichts mehr zu tun! Hier gibt es erhebliches Haftungspotenzial für Planer und Bauleiter.

Was bedeutet das für die Verwendung der VOB/B in der Praxis
Öffentliche Ausschreibungen Verträge zwischen Unternehmen Verträge zwischen Unternehmen und Verbrauchern
Bei öffentlichen Ausschreibungen (ob national oder international in der EU) ist nach der VOB/A (§ 8 a VOB/A; Allgemeine Bestimmung für die Vergabe von Bauleistungen) vorgeschrieben, dass die VOB/B (und auch die Allgemeinen technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen; VOB/C) Vertragsinhalt werden müssen.
Der öffentliche Auftraggebenr ist Verwender der VOB/B (d. h. der Verwender von AGB). Deshalb gehen etwaige nachteilige oder unwirksame Regelungen in der VOB/B zu Lasten des öffentlichen Auftraggebers.
In Verträgen zwischen Unternehmen konnte in der
Vergangenheit die VOB/B relativ risikolos vereinbart werden, wenn sie in vollständig unveränderter Form, d. h. "als Ganzes" vereinbart wurde.
Wesentlich häufiger waren jedoch sogenannte Mischverträge. Das sind vor allem Vertragsmuster, welche die Einzelregelungen der VOB/B nicht vollständig oder nur in veränderter Form übernommen haben und dadurch in Einzelregelungen zugunsten des Verwenders abgewichen sind.
Das neue Bauvertragsrecht des BGB und die VOB/B passen nicht mehr vollständig zueinander. Von der Verwendung solcher Mischverträge (auch von der Unterschrift unter solche Verträge) kann deshalb wegen dieser Rechtsunsicherheit nur abgeraten werden,
In Verträgen zwischen Unternehmen und Verbrauchern ist die Verwendung der VOB/B seit vielen Jahren für die Auftragnehmer als Verwender praktisch bedeutungslos geworden und auch jetzt nicht zu empfehlen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bei einer großen Vielzahl von Regelungen in der VOB/B bereits nach dem alten BGB - Abweichungen festgestellt und die Regelungen der VOB/B als unwirksam beurteilt.
Für den Unternehmer als Verwender bedeutet dies, dass die für ihn günstigen Regelungen unwirksam sind und die für ihn ungünstigen Regelungen zugunsten des Verbrauchers aber wirksam bleiben.

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