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#wissenundpraxis

"New Work müsste eigentlich Human Work heißen"

Barbara Liebermeister berät Unternehmen aller Art auf dem Weg zu neuen Arbeitsformen. An „New Work" führt für sie auch im Handwerk angesichts umfassender Veränderungen kein Weg vorbei.

04/28/2023

Lesezeit

6 Minuten

Ob Auszubildende, Fachkräfte oder Firmennachfolger: Das Handwerk hat Personalsorgen. Themen wie New Work, Recruiting und Employer Branding halten deshalb auch im Handwerk Einzug. Wertvolle Beiträge dazu liefert Barbara Liebermeister. New Leadership, New Learning und New Work sind ihre Kernthemen. Im Interview legt sie in Sachen New Work im Handwerk nochmals nach: „Die persönliche Einstellung und das Denken muss sich ändern“, fordert die Leiterin des Instituts für Führungskultur im Digitalen Zeitalter (IFIDZ).

Frau Liebermeister, der Begriff „New Work“ wird für gewöhnlich in Verbindung mit Bürotätigkeiten verwendet. Wie definieren Sie den Begriff in Ihrer täglichen Arbeit?

Barbara Liebermeister:„Viele denken bei New Work an coole Loungemöbel im Büro, einen Billardtisch und den frischen Obstkorb. Aber nicht überall, wo ein Tischkicker steht, wird New Work auch gelebt. Der ursprüngliche Gedanke ist, dass Menschen, die selbstbestimmtes Arbeiten erleben, mit mehr Freude zur Sache gehen, weil ihre Arbeit sinnstiftend wird. Die Qualität ist dann eine ganz andere, denn wenn New Work richtig umgesetzt wird, bestimmen die Mitarbeitenden mit bis ins kleinste Detail.

Bei den Loungemöbeln geht es im Übrigen nicht um schicke Büros. Vielmehr lassen sich durch ein attraktives Umfeld die Mitarbeitenden aus dem Homeoffice wieder ins Büro locken. Sind sie dann vor Ort, können Flächen für den persönlichen Austausch dazu beitragen, die Kommunikation zu verbessern. Das hilft Führungskräften, die Abläufe so zu optimieren, dass die Zusammenarbeit in den Teams optimal gefördert wird.“

Liebermeister
Transporter

Wie sieht das in der Handwerkspraxis aus?

„Es geht immer darum, dass sich die Mitarbeitenden bei der Arbeit wohl fühlen. Ich habe mit einem Elektriker gesprochen, der Yoga-Räume für sein Team eingerichtet hat. Und mit einem Gärtner, der in ein anderes Unternehmen gewechselt ist, weil dort die Autos nicht morgens in aller Eile für den Tag gepackt werden, sondern schon am Vorabend. Dadurch kann das Team vor der Abfahrt noch in Ruhe einen Kaffee trinken.

Das zeigt, wie wichtig bei „New Work“ auch das Miteinander ist. Fürs Handwerk gilt das ebenso wie für Behörden, andere Branchen oder Start-ups. Wer gerne arbeitet, ist mit Leidenschaft bei der Sache, dadurch bekomme ich eine andere Art der Arbeitsqualität. Welchen Fuhrpark ich habe, ist dabei ebenso wichtig wie andere Formen der Wertschätzung. Ich kenne zum Beispiel einen Handwerksbetrieb, da stehen immer frische Obstkörbe für die Mitarbeitenden. Solche kreativen Ideen werden mit kreativen Ansätzen im Team belohnt. Dann erleben Sie plötzlich Mitarbeitende, die zum Beispiel gemeinsam Filme übers Unternehmen drehen.“

Mitbestimmung im Unternehmen

Mit kleinen Wohltaten ist es also nicht getan?

„Nein, das ganze Denken muss sich ändern. New Work ist eigentlich am Menschen orientierte Führung, am Menschen orientierte Zusammenarbeit. Dort, wo Kultur und Miteinander stimmen, kann ich von New Work sprechen. „New Work“ müsste eigentlich „Human Work“ heißen. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich nur Abteilungsleiter irgendwo bin oder einen Handwerksbetrieb leite.

Früher konnten sich angesichts vieler Bewerbungen die Chefs fast alles erlauben, entsprechend war der Führungsstil. Heute ist klar, dass Unternehmer und Führungskräfte nicht nur dafür da sind, Ziele zu erreichen. Sie haben Verantwortung für Menschen, dafür, diese weiterzuentwickeln und die Leidenschaft fürs Handwerk anzufachen. In diesem Zusammenhang lohnt sich ein Blick in das Buch „Der neue Handwerkschef“ von Stefan Janßen, in dem das Thema neues Arbeiten am Beispiel eines Zimmerermeisters behandelt wird.“

Wie weit geht dann die Mitbestimmung im Betrieb?

„Im Zweifel bis zur Frage, ob ein Auftrag angenommen wird oder nicht. Zumal der Chef nicht mehr alles weiß, sondern auf sein Team angewiesen ist. Das ist schon krass, aber es gibt Handwerksbetriebe, die sich spezialisieren wollen und ein kleines Team haben, da macht das möglicherweise Sinn. Schon durch die Filterung der Aufträge gelingt es dann wieder, sich vom Wettbewerb abzugrenzen.“

Werkstatt

Im Handwerk gibt es wie überall hohen Druck, Veränderungen anzugehen. Was sind aktuell die drei größten Herausforderungen?

„Neue Mitarbeitende zu finden, ist für mich auf jeden Fall der dringendste Punkt. Dazu passt Punkt zwei, das Employer Branding, also die Frage: Wie stelle ich mich als Handwerksbetrieb dar, um Mitarbeitende zu gewinnen? Punkt drei sind die Materialengpässe.“

Was sollten Betriebe tun, um an Mitarbeitende zu kommen?

„Sie müssen sich abheben vom Wettbewerb, dafür gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Ich kenne ein Unternehmen, das mit der örtlichen Feuerwehr kooperiert. Als Vorbild taugt auch ein Spenglermeister, der 100 Schulen angeschrieben hat, damit er dort seinen Beruf vorstellen kann.

Ein Blick lohnt sich auch auf Handwerksbetriebe, in denen nur vier Tage pro Woche gearbeitet wird. Falls das nicht möglich scheint: Ich habe auch einen Handwerker gesehen, der jedes Jahr bis zu drei Monaten mit einem Teil des Teams an Projekten in Dubai arbeitet. Der hat kein Problem, neue Mitarbeitende zu finden, er muss das nur in seiner Region bewerben.

Insgesamt gilt es bei New Work immer, die Dinge neu zu denken und kreativer bzw. partizipativer für die Mitarbeitenden anzugehen. Das gilt nicht nur, aber besonders für Stellenanzeigen. Die sollten nicht einfach von anderen Betrieben kopiert werden. Wer sich hier Mühe gibt, auch mal ein Brainstorming mit den Auszubildenden einlegt, punktet zugleich im Employer Branding. Denn es geht immer darum, sich von anderen zu unterscheiden.

Handwerksbetriebe sollten zum Beispiel auch Kooperationen mit Verbänden eingehen, also Beziehungen zu dortigen Schlüsselpersonen pflegen. Das Thema Kooperationen könnte im Übrigen auch rund um die Materialknappheit helfen.“

New Work

Ein weiterer Fallstrick für Handwerksbetriebe ist der Generationenwechsel. Wie kann New Work hier hilfreich wirken?

„Diese Frage muss immer ganz individuell beleuchtet werden, weil ja schon die Persönlichkeitsstruktur bei jedem Menschen anders ist. Schön wäre, wenn so früh wie möglich an die Nachfolgeregelung gedacht wird. Die Übergabe ist ein tiefgreifender Prozess. Es kommt dabei grundsätzlich darauf an, welche Kultur im Betrieb zuvor gelebt wurde. Sollen meine Tochter oder mein Sohn übernehmen? Dann ist die Frage, ob sie bislang schon mitbestimmen durften. Das würde helfen. Ebenso, wenn ich das Thema schon früh im Team verankert habe, etwa mit dem Hinweis: „Ich freu mich, wenn ich in drei Jahren abdanken kann, dann übernehmen Tochter oder Sohn.“ Die Nachfolgenden sollten frühzeitig entscheiden und Dinge in die eigene Hand nehmen dürfen. Zumal sie möglicherweise schon mehr auf New Work ausgerichtet sind und keine Hemmungen haben, das Thema anzugehen.“

Wie gehe ich vor, um New Work in meinem Betrieb einzuführen?

„Alles beginnt mit der offenen Kommunikation mit meinem Team. Ich muss als Verantwortlicher dafür sorgen, dass eine vertrauensvolle Kultur im Unternehmen gelebt wird und viel mehr miteinander und untereinander besprochen wird. Wenn ich mir viele Meinungen anhöre und gemeinsam mit dem Team Entscheidungen treffe, dann steht das Team auch stärker hinter den Projekten. Grundsätzlich kann ich dann mit dem Team entscheiden: „Wo hapert es bei uns am meisten. Welchem Punkt sollten wir uns zuerst widmen“. Nur ja nicht zu viele Punkte auf einmal angehen. Das ist das größte Problem bei Veränderungsprozessen: Wir nehmen uns zu viel vor und dann bleibt alles auf der Strecke. Im ersten Schritt lassen sich auch Beispiele aus den eigenen Reihen, auch von anderen Gewerken, anschauen. Der Ansatz für die Chefs ist, zu fragen: „Wenn die so etwas machen, was passt dann zu meinem Team und mir?“ Ich muss nicht unbedingt einen Yoga-Raum einrichten, so ein Beispiel zeigt nur die Bandbreite der Möglichkeiten auf. Wenn Yoga nicht passt, muss es eben etwas anderes sein.

Dann geht es um Prozesse und Arbeitsorganisation, wie das Beispiel oben zeigt: Wenn mein Auto abends schon fertig gepackt und auch noch sauber ist, sehen wir zwei Aspekte von New Work, weil die Leute dann morgens mit einer anderen Einstellung zum Kunden fahren. Es geht also darum, die richtigen Stellschrauben zu drehen. Wobei immer in überschaubaren Schritten vorgegangen werden sollte, wie das bei Change-Prozessen üblich ist. Um alle Mitarbeitenden mitzunehmen, muss man sich Zeit lassen, nachhaltig denken und selbst beispielhaft wirken. Gerade die Vorbildfunktion darf nicht unterschätzt werden.“

Walz der Zimmerleute

Lässt sich New Work auch mit traditionellen Arbeitsweisen verbinden? Also etwa mit der Walz der Zimmerleute?

„Solche Traditionen müssen integriert werden, die sind doch wunderbar. Die Walz kann etwa als Weiterbildung oder Sabbatical für Weiterbildung gesehen werden. Der Erfolg ist hier wie so oft nur eine Frage der Organisation – ich kann eben nicht alle auf einmal auf die Reise schicken.“

Wie sieht’s mit dem Homeoffice im Handwerk aus?

„Das geht auch. Ich kann dort zum Beispiel die Auszubildenden Social-Media-Auftritte pflegen lassen. Das bringt gleich mehrere Vorteile. Insbesondere kann ich dann bei Stellenausschreibungen sagen, dass ich Homeoffice anbiete. Die Azubis sorgen dazu für eine Imagekampagne, etwa mit Beiträgen auf Instagram.“

New Work im Handwerk - Baustelle Zukunft

Darum geht´s

In diesem Impulsvortrag wird jedem klar, was New Work bedeutet und wie es im Handwerk umgesetzt werden kann. Barbara Liebermeister zeigt inspirierend anhand von Beispielen aus dem Handwerk auf, wie erfolgreiche Handwerksbetriebe den aktuellen Herausforderungen die Stirn bieten. Vertrauen auf Können anstatt Kommando und Kontrolle und vor allem eins: Fokus auf den Menschen!

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