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#wissenundpraxis

„Vielleicht hat der Begriff Großstadtdschungel in 20 Jahren eine ganz andere Bedeutung"

Gregor Grassl vom Stuttgarter Unternehmen Drees & Sommer sieht in Smart Cities einen baulichen Ansatz, mit dem Probleme wie Ressourcenknappheit, Klimaschutz und hohe Wohnkosten dauerhaft gelöst werden können. Er gibt uns spannende Einblicke zum aktuellen Stand bei Planen und Bauen der Zukunft.

05/04/2023

Lesezeit

6 Minuten

Planen für die Stadt der Zukunft: Gregor Grassl ist Head of Blue City und Associate Partner bei Drees & Sommer. Das international aktive Unternehmen mit Stammsitz in Stuttgart entwickelt innovative Methoden und Technologien für den Bau. Unter dem Slogan „The Blue Way“ verbindet Drees & Sommer Ökonomie, Ökologie und Funktionalität zu ganzheitlichen Lösungen in den Bereichen Gebäude, Infrastruktur und Städtebau. Wir haben die Gelegenheit genutzt, mit Gregor Grassl einen Blick auf die Smart Cities zu werfen sowie auf die Hürden, die ihrer Entwicklung noch entgegenstehen.

Herr Grassl, was verstehen Sie unter einer „Smart City“?

Gregor Grassl: „Wir verfolgen in dieser Frage den ganzheitlichen Ansatz, es geht also nicht nur um die Digitalisierung. Die hilft uns, die Herausforderung, die Stadtentwicklung heute bedeutet, zu bewältigen. Also fördern wir Digitalisierung nicht um der Digitalisierung willen, sondern um Ziele zu erreichen, insbesondere im Bereich Nachhaltigkeit. Also beim Bestreben, die Smart City grün, nachhaltig, lebendig und sauber zu gestalten. Ein Beispiel: Für die effiziente Bewässerung können Feuchtigkeitssensoren eingesetzt werden, und die werden digital gesteuert.“

Es geht also ums Ganze?

„Ja, die Herausforderung ist, dass wir alte Konzepte nicht einfach digitalisieren können. Es gibt viele Prozesse, die nicht mehr zeitgemäß sind. Die optimieren wir mit Hilfe digitaler Werkzeuge. Typische Frage: Kann ich die Dachsanierung nicht intelligenter umsetzen, also nicht nur das Dach abdichten, sondern gleich einen Dachgarten fürs Klima oder die Stromproduktion schaffen?“

Baustelle Stadt

Visualisierung Quartier Heidestraße: Das Quartier Heidestrasse im Herzen der Europacity in Berlin verbindet energieeffiziente Bauweisen mit zukunftsweisenden Mobilitätskonzepten und einer umfänglichen Vernetzung. © Quartier Heidestrasse

Lassen sich solche sinnvollen Baumaßnahmen mit dem teuren Alltag in der Stadt vereinbaren?

„Faktoren wie bezahlbares Wohnen oder Bauen und Klimaschutz werden leider oft gegeneinander ausgespielt. Das halte ich grundsätzlich für falsch. Ohnehin kommen die größten Preissteigerungen durch die Entwicklung von Bauland, also durch hohe Quadratmeterpreise. Beim nachhaltigen Bauen lässt sich dagegen sogar sparen. Aktuell sind etwa die Energiepreise sehr hoch. Aber wer bereits eine Wärmepumpe im Einsatz hat, den betrifft das Problem eventuell nicht. Betrachten wir die Zukunft, sind nachhaltig wirkende Technologien ohnehin die einzige Lösung. Denken Sie an die Millionenschäden durch Starkregenereignisse. Wenn sich schwerwiegende Folgen wie etwa bei der Flutkatastrophe im Ahrtal verhindern oder abmildern lassen, ist das auf jeden Fall der richtige Weg.“

Wie können wir die Bevölkerung hier mitnehmen?

Wir müssen die Zusammenhänge vermitteln und Interessenskonflikte auflösen. Uns Endkunden muss bewusst sein, dass es sich lohnt, für Immobilien, die im Betrieb nachhaltiger sind, etwas mehr zu investieren. Das lohnt sich, wenn ich dadurch dauerhaft die Nebenkosten senken kann.“

Ist der Staat hier in der Pflicht, müssen mehr Anreize geschaffen werden?

„Definitiv. Wir brauchen Anreize und parallel dazu Regeln oder sogar Verbote.“

Campus Arena Berlin

Campus Arena Berlin TXL: Auf der Fläche des ehemaligen Flughafens Berlin-Tegel entsteht mit „Berlin TXL – The Urban Tech Republic“ ein innovativer und nachhaltiger Forschungs- und Industriepark für urbane Technologien. © Atelier Loidl_Tegel Projekt GmbH

Wie verändert sich das Bauen durch Smart Cities?

„Wir müssen modular denken und planen. Das Bauen wird weniger monolithisch und weniger individuell, dafür am Ende deutlich biologischer und grüner. Es werden mehr Baustoffe wie Holz oder recycelte Stoffe verwendet, dazu kommen Gründächer und Grünfassaden. Vielleicht hat der Begriff Großstadtdschungel in 20 Jahren eine ganz andere Bedeutung. Insgesamt müssen wir das, was wir machen, künftig intelligenter machen. Zudem müssen Planer, Architekten und Bürger umdenken, auch was das Erscheinungsbild von Gebäuden angeht. Dann kann es durchaus gelingen, dass eine Stadt gar nicht so viel schlechter als ein Stück Natur ist.“

Bei der dafür nötigen Digitalisierung hinken Ämter und Behörden noch hinterher.

„Das ist sicher eine der größten Herausforderungen. Die digitale Infrastruktur muss komplett umgebaut werden, wir brauchen zum Beispiel die digitale Bauakte. Die kann in Ämtern parallel bearbeitet werden, das spart Zeit. Und Klimaschutzkonzepte könnten dann einfach auf Basis einer Auswertung der Bauanträge erstellt werden. Da steckt enormes Sparpotenzial drin. Außerdem werden Arbeitskräfte frei, die wir angesichts des Fachkräftemangels dringend benötigen. Ein Anfang wäre schon, wir könnten Anträge von zuhause bearbeiten. Auf jeden Fall muss das Geflecht aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft entzerrt werden, um schnellere Entscheidungen zu ermöglichen.“

Stehen die Kommunen zu sehr in der Verantwortung?

„Nein, denn sie haben das größte Wissen zu ihren lokalen Gegebenheiten. Das ist sehr wichtig und wir nutzen es ohnehin zu wenig. Was zentral vom Bund oder sogar von der EU kommen sollte, sind digitale Tools fürs Bauen, die der Kommune die Suche nach eigenen Lösungen ersparen.“

Digitalisierung heißt auch, dass Unmengen von Daten erhoben werden. Welche Risiken bestehen da für den einzelnen Bürger?

„Dieses Thema müssen wir von der Hysterie zurück zur Sachlichkeit bringen. Schließlich wurden Telefonnummern früher schon veröffentlicht. Es gibt aber gefährliche Bereiche, etwa wenn Unternehmen ausgespäht oder Verträge eingesehen werden können. Dafür benötigen wir eine zentrale Stelle, die User müssen zudem ein Bewusstsein für Sicherheitsthemen entwickeln, angefangen bei ihren Passwörtern.“

Wie können wir der gegenwärtigen Angst vor dem Blackout entgegenwirken?

„Indem wir Redundanz und Sicherheit gewährleisten, etwa durch Autarkie einzelner Immobilien. Die Entwicklung der Speichertechnologie ist hier entscheidend, sie wird in diesem Bereich das Thema der Zukunft sein.“

Neckarspinnerei Quartier

Neckarspinnerei Quartier: Das denkmalgeschützte Neckarspinnerei-Areal der Textilfirma Otto in Wendlingen-Unterboihingen wird bis 2027 zu einem innovativen und nachhaltigen Stadtquartier entwickelt. © g---kx mediaHOUSE

Bürger und Unternehmen fürchten die Verbotskeule, im Bereich Verkehr etwa beim Verbrenner. Auf der anderen Seite haben Kommunen selbst energiehungrige Generatoren angeschafft, um kurzfristige Energielücken zu schließen. Ist das nicht paradox?

„Ja, das ist es. Natürlich müssen wir weg vom Verbrenner, aber wir beschäftigen uns viel zu sehr mit Verboten und zu wenig mit nachhaltigen Alternativen. Ich sehe die Aufgabe des Staates in erster Linie darin, Anreize und Angebote zu schaffen, etwa für den öffentlichen Nahverkehr im ländlichen Raum. Erst wenn das geschafft ist, sollten Unverbesserliche mit Verboten belegt werden. Schauen wir also, wo Angebote fehlen – und bauen wir die Infrastruktur um, im Verkehr ebenso wie in anderen Bereichen, etwa beim Trinkwasser. Das nutzen wir aktuell für die Toilettenspülung und importieren es zugleich. Angesichts der Wasserknappheit ist das nicht vertretbar. Es geht nicht nur um Energieeffizienz, wir haben viele andere Bereiche, in denen der Staat unterstützen kann.“

Fehlt es am Ende auch an der guten Kommunikation beziehungsweise am Marketing?

„Ein wesentlicher Punkt. Man könnte viele Probleme lösen, wenn es gelänge, die Bürger gut abzuholen und mitzunehmen. Schließlich kenne ich niemand, der nachhaltige Projekte umgesetzt hat und danach gesagt hat, es habe sich nicht gelohnt. Aber es sind eben noch zu wenige, die den Mut haben, am Anfang ein paar Euro mehr in die Hand zu nehmen. Dabei macht es gerade beim Bauen keinen Sinn, an der falschen Stelle zu sparen.“

Hat das Eigenheim noch Zukunft? Aktuell geht der Trend teilweise zurück in die 70er-Jahre zum Mehrgenerationenhaus.

„Das hat viele Gründe, von den Baugrundkosten bis zum im Zuge von Corona entdeckten höheren Wert des Zusammenlebens. Entscheidend sind auch hier die richtigen Angebote. Nehmen wir junge Familien, die ein Eigenheim mit Garten für Ihre Kinder möchten. Wenn wir Städte sicherer und grüner gestalten, ist das künftig nicht mehr nötig. Dem Wunsch, sein eigener Herr im Haus zu sein, können wir begegnen, indem wir Entscheidungsprozesse digitalisieren und damit einfacher machen. Also statt der Eigentümerversammlung einfach länger laufende Abstimmungsprozesse ermöglichen. So fördern wir das Zusammenleben in einer Hausgemeinschaft.“

Welches Gewerk muss sich bei der Smart City auf die größten Veränderungen einstellen?

„Es gibt ja viele komplexe Gewerke. Aber der Rohbau wird künftig vollkommen anders gestaltet werden, darum liegen hier die größten Herausforderungen.“

Smart City - So leben und bauen wir in Zukunft

Darum geht´s

Wie beeinflusst die rasante Digitalisierung unser Leben und was bedeutet dies konkret für das Bauen und Ihre Kundinnen und Kunden? Gregor Grassl zeigt dabei nicht nur eine Vision auf, sondern gibt anhand von exemplarischen Projekten einen konkreten Ausblick für die zukunftsfähigen „Smart Cities“.

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