
Exoskelette: So halten sie Handwerksteams den Rücken frei
Wie bleiben Handwerker fit und gesund trotz hoher körperlicher Belastung? Eine Antwort auf diese Frage könnten Exoskelette liefern. Wir stellen die mechanischen Helfer vor und zeigen, worauf es bei ihrem Einsatz im harten Arbeitsalltag ankommt.
05/12/2025
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6 Minuten
Stützen, stabilisieren – und vor allem: entlasten. Exoskelette unterstützen im harten Arbeitsalltag, wenn der Körper bei fordernden Tätigkeiten an seine Grenzen kommt. Sie nehmen dem Rücken von Gerüstbauern ebenso Gewicht ab wie dem Genick von Malern, die bei dauerhaften Überkopfarbeiten zur Decke blicken müssen. In der Theorie können nahezu alle Handwerker von den künstlichen Stützstrukturen profitieren. Wie der aktuelle Stand in der Praxis ist – und ob es auch Risiken gibt – erfahren Sie in diesem Beitrag.

Was ist ein Exoskelett?
Der Begriff „Exoskelett“ stammt ursprünglich aus dem Tierreich. Unter anderem verfügen alle Gliederfüßer – also Insekten, Spinnen, Krebse und Hummer – über diese außen liegende Stützstruktur. Künstliche Exoskelette, die mit Maschinenkraft arbeiten, hielten zuerst in der Medizin Einzug. Die sogenannten Orthesen helfen Menschen mit Lähmungen und werden eingesetzt, um einzelne Körperregionen gezielt zu entlasten.
Nur ein Beispiel: Profisportler mit Kreuzbandriss erhalten eine Knie-Orthese, können ihre Beine früher wieder bewegen und schneller ins Training einsteigen.
In der Berufswelt kommen bei Menschen, die körperlich arbeiten, Exoskelette zum Einsatz, die auch als Ergoskelette bezeichnet werden. Der Name verrät das Ziel: ergonomisch richtiges Arbeiten, bei dem das künstliche Skelett die natürlichen Bewegungsabläufe von Oberkörper und Gliedmaßen unterstützt. Dafür treiben etwa Servomotoren einzelne Gelenke des Exoskeletts an.
Wie funktioniert ein Exoskelett?
Heute unterscheidet man zwischen passiven und aktiven Exoskeletten, welche Bauart gewählt wird, hängt letztlich von den konkreten Tätigkeiten ab, die unterstützt werden sollen.
Welche Vorteile bieten Exoskelette?
Alle Systeme verfolgen ein gemeinsames Ziel: Die Gesundheit der Beschäftigten schützen und Ermüdung verringern. Hier noch einige Vorteile im Detail:
- Das Heben schwerer Lasten wird vereinfacht – moderne Modelle entlasten den Rücken um bis zu 30 kg.
- Zwangshaltungen, etwa bei ausgedehnten Überkopfarbeiten, werden entschärft; die Körperhaltung bleibt natürlicher.
- Reduzierung von Rückenschmerzen und Abnutzungsschäden steigert die Arbeitsfähigkeit.
- Verletzungen und Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems lassen sich vorbeugen – laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin verursachen sie im Baugewerbe knapp 30 % der Fälle von Berufsunfähigkeit.
Für welche Tätigkeiten eignen sich Exoskelette besonders?
Exoskelette entfalten ihr Potenzial vor allem bei:
- Statischen Haltearbeiten mit Bohrmaschine, Schleifgerät oder Schweißbrenner.
- Lager- und Dachbau, bei wiederholtem Heben von 5 – 25 kg in kurzer Taktung.
- Decken- und Überkopfarbeiten von mehr als einer Minute Dauer pro Zyklus.
- Beton- und Stahlmontage, wenn Lasten bei stark vorgeneigtem Oberkörper angehoben werden.
Gibt es auch Risiken?
Aktuell liegen noch keine Langzeitstudien zur Nutzung von Exoskeletten im Handwerk oder im industriellen Umfeld vor. Falls Sie in Ihrem Betrieb Erfahrungen sammeln möchten, rückt zunächst der Arbeitsschutz in den Fokus: Führen Sie eine Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz durch. Sie können anschließend in der Praxis beurteilen, ob eine der von Wissenschaft und Medizin genannten Risiken tatsächlich den Einsatz im Alltag beeinträchtigt:
- Aktive Exoskelette könnten bei übermäßiger Entlastung dazu führen, dass Muskeln abgebaut werden.
- Bei der Über-Kopf-Arbeit wäre es denkbar, dass das Herz-Kreislauf-System stärker belastet wird.
- Grundsätzlich muss ermittelt werden, ob das Exoskelett die beanspruchten Körperregionen unterstützt, ohne dass die Belastung auf andere Stellen des Körpers verlagert wird.
Die bisherigen Erfahrungen haben ergeben, dass es weitere Hürden geben könnte. Dazu gehören etwa der Zeitaufwand für das An- und Ausziehen des Exoskeletts, ein Gefühl der Behinderung, vermehrtes Schwitzen oder schlicht Akzeptanzprobleme bei den Mitarbeitenden. Um die Auswirkungen zu prüfen, führten Wissenschaftler:innen des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik (Fraunhofer IML) 2021 zwei Testreihen mit Probanden und Probandinnen durch (siehe Quelle am Ende des Beitrags). Die Teilnehmenden schätzten die Unterstützung bei einer Palettierung dabei als spürbar ein. In der zweiten Testreihe wurde ermittelt, dass einfache Handhabung und hohe Bewegungsfreiheit wichtige Faktoren für die Akzeptanz der Exoskelette sind.
Beratung Exoskelette – eignet sich der Einsatz in Ihrem Unternehmen?
Bevor Sie investieren, beantworten Sie intern drei Kernfragen:
1. Welche Probleme sollen gelöst werden?
Sind Rückenbeschwerden, Ermüdung oder hohe Ausfallzeiten der Anlass – oder möchten Sie vor allem die Produktivität steigern?
2. Wo entstehen die größten Belastungen?
Geht es um häufiges Über-Kopf-Halten, dauerndes Heben, weite Transportwege oder monotone Fließbandarbeit?
3. Wie hoch ist die Akzeptanz bei den Beschäftigten?
Planen Sie Tests mit Pilotgruppen, sammeln Sie Feedback und vergleichen Sie verschiedene Modelle.
Fazit: Entlastung ist möglich
Vom Kran bis zum Vakuumheber gibt es viele Hilfsmittel, um Abläufe schonend zu gestalten. Lassen sich Wege, Lagerung oder Gewichte nicht weiter optimieren, lohnt es sich, Exoskelette zu testen. Treten ergonomische oder medizinische Probleme am Arbeitsplatz auf, können diese Systeme tatsächlich Entlastung schaffen – vorausgesetzt, sie sind exakt auf die jeweiligen Anforderungen zugeschnitten. Exoskelette sind damit eine Technologie mit Perspektive: Sie sollte konsequent weiterentwickelt und im Handwerk erprobt werden, wo täglich schwere Lasten zu tragen sind und Menschen über viele Jahre gesund beschäftigen sollen.
Quelle: iml.fraunhofer.de: Wie ein Exoskelett die Arbeit erleichtert