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Exoskelette: So halten sie Handwerksteams den Rücken frei

Wie bleiben Handwerker:innen fit und gesund trotz hoher körperlicher Belastung? Eine Antwort auf diese Frage könnten Exoskelette liefern. Wir stellen die mechanischen Helfer vor und zeigen, worauf es bei ihrem Einsatz im harten Arbeitsalltag ankommt.

06/19/2023

Lesezeit

6 Minuten

Stützen, stabilisieren und vor allem: entlasten. Exoskelette helfen im harten Arbeitsalltag, wenn der Körper extrem gefordert wird. Sie entlasten den Rücken von Gerüstbauer:innen ebenso wie das Genick von Maler:innen beim Dauerblick an die Decke. In der Theorie können nahezu alle Handwerker:innen von den künstlichen Stützstrukturen profitieren. Wie der aktuelle Stand in der Praxis aussieht und ob es auch Risiken gibt, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Was ist ein Exoskelett?

Der Begriff „Exoskelett“ stammt ursprünglich aus dem Tierreich. Unter anderem verfügen alle Gliederfüßer, also Insekten, Spinnen, Krebse und Hummer, über diese außen liegende Stützstruktur. Künstliche Exoskelette, die mit Maschinenkraft betrieben werden, kamen zunächst in der Medizin zum Einsatz. Die „Orthesen“ helfen Menschen mit Lähmungen aller Art, sie werden für die Entlastung einzelner Körperteile genutzt.

Nur ein Beispiel: Profisportler oder Profisportlerinnen, die nach einem Kreuzbandriss eine Knie-Orthese angepasst bekommen, dadurch weniger Schmerzen haben und früher wieder trainieren können.

In der Berufswelt kommen bei Menschen, die körperlich arbeiten müssen, Exoskelette zum Einsatz, die auch als Ergoskelette bezeichnet werden. Der Name bezeichnet das Ziel: Es geht um ergonomisch richtiges Arbeiten, bei dem das künstliche Skelett die natürlichen Bewegungsabläufe unterstützt. Um dies zu erreichen, werden etwa einzelne Gelenke des Exoskeletts durch Servomotoren angetrieben.

Wie funktioniert ein Exoskelett?

Aktuell unterscheiden wir zwischen passiven und aktiven Exoskeletten. Die passiven Systeme nutzen Feder- und Seilzugmechanismen. Die Mechanik unterstützt gezielt die beim Arbeitsgang geforderten Muskelgruppen. Das Exoskelett tankt Energie über die Vorspannung der Federmechanik oder über den Seilzug. Nach jeder Kraftunterstützung muss der Tragende diese Vorspannung in die entgegengesetzte Richtung in die Maschine zurückführen, er muss also die Spannkraft überwinden. Dadurch wird die Kraft umverteilt und steht für die nächste Belastung wieder zur Verfügung. Einfachere Varianten stellen etwa stabilisierende Bandagen dar oder Nackenstützen fürs Über-Kopf-Arbeiten.

Aktive Exoskelette sind in der Konstruktion komplexer: Sie verwenden elektrische, pneumatische oder hydraulische Antriebssysteme, was sie im Alltag schwerer macht. Dafür eignen sie sich besser für das Heben und Halten schwerer Lasten. Die passiven Systeme sind eher gefragt, wenn eintönige Arbeiten mit gleichen Gewichten gefordert sind. Sie kommen daher beispielsweise zum Einsatz, wenn Lasten oder Werkzeuge länger auf einer festen Höhe gehalten werden sollen. Ob die Entscheidung für aktiv oder passiv fällt, hängt daher von den Tätigkeiten ab, die unterstützt werden sollen.

Überkopfarbeiten Maler

Welche Vorteile bieten Exoskelette?

Letztendlich dienen alle Exoskelette demselben Zweck: Die Mitarbeitenden sollen möglichst lange fit und gesund bleiben. Hier noch einige Vorteile im Detail:

  • Das Heben schwerer Lasten wird erleichtert. Aktuelle Systeme können den Rücken um bis zu 30 kg entlasten.
  • Das Arbeiten in Zwangshaltungen ist weniger belastend.
  • Rückenschmerzen werden vermieden.
  • Verletzungen und Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems werden verhindert. Sie machen etwa im Baugewerbe laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin fast 30 Prozent der Erkrankungen aus, die zu Berufsunfähigkeit führen.

Gibt es auch Risiken?

Aktuell liegen noch keine Langzeitstudien zur Nutzung von Exoskeletten im Handwerk oder im industriellen Umfeld vor. Falls Sie in Ihrem Betrieb Erfahrungen sammeln möchten, rückt zunächst der Arbeitsschutz in den Fokus: Führen Sie eine Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz durch. Sie können anschließend in der Praxis beurteilen, ob eine der von Wissenschaft und Medizin genannten Risiken tatsächlich den Einsatz im Alltag beeinträchtigt:

  • Aktive Exoskelette könnten bei übermäßiger Entlastung dazu führen, dass Muskeln abgebaut werden.
  • Bei der Über-Kopf-Arbeit wäre es denkbar, dass das Herz-Kreislauf-System stärker belastet wird.
  • Grundsätzlich muss ermittelt werden, ob das Exoskelett die beanspruchten Körperteile unterstützt, ohne dass die Belastung auf andere Stellen des Körpers verlagert wird.

Die bisherigen Erfahrungen haben ergeben, dass es weitere Hürden geben könnte. Dazu gehören etwa der Zeitaufwand für das An- und Ausziehen des Exoskeletts, ein Gefühl der Behinderung, vermehrtes Schwitzen oder schlicht Akzeptanzprobleme bei den Mitarbeitenden. Um die Auswirkungen zu prüfen, führten Wissenschaftler:innen des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik (Fraunhofer IML) 2021 zwei Testreihen mit Probanden und Probandinnen durch (siehe Quelle am Ende des Beitrags). Die Teilnehmenden schätzten die Unterstützung bei einer Palettierung dabei als spürbar ein. In der zweiten Testreihe wurde ermittelt, dass einfache Handhabung und hohe Bewegungsfreiheit wichtige Faktoren für die Akzeptanz der Exoskelette sind.

Fazit: Entlastung ist möglich

Kran, Vakuumheber, Transportwagen: Um Arbeitsabläufe möglichst schonend zu gestalten, stehen aktuell zahlreiche Hilfsmittel zur Verfügung. Außerdem können Sie versuchen, Transportwege zu verkürzen oder die Lagerung von Lasten zu optimieren, die häufig bewegt werden müssen. Exoskelette zu testen, macht auf jeden Fall Sinn, wenn diese Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg bringen. Kommt es also zu ergonomischen oder medizinischen Problemen bei den Mitarbeitenden, können Exoskelette nach aktuellem Stand tatsächlich für Entlastung sorgen. Um diese zu erreichen, müssen die jeweiligen Modelle möglichst exakt auf die Anforderungen ausgerichtet werden. In jedem Fall sind Exoskelette ein Hilfsmittel mit Zukunft. Sie sollten daher von den Herstellern konsequent weiterentwickelt und von Betrieben im Berufsalltag getestet werden – gerade im Handwerk.

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