
Von der Idee zur Realität: 3D-Druck als Chance für das Handwerk
Entdecken Sie, wie der 3D-Druck das Handwerk revolutioniert. Erfahren Sie, wie Würth innovative Lösungen entwickelt, um Prozesse zu vereinfachen, Kosten zu senken und neue Möglichkeiten für Handwerksbetriebe zu schaffen.
01/26/2025
Lesezeit
7 Minuten
In einer Zeit, in der Innovationen die Arbeitswelt rasant transformieren, eröffnet der 3D-Druck ganz neue Möglichkeiten für das Handwerk. Doch was steckt hinter dieser Technologie, und wie können Handwerksbetriebe konkret davon profitieren? Im Interview gibt Michael, Business Development Manager im Bereich Zukunftsmanagement bei Würth, spannende Einblicke in die Entwicklung und Anwendung des 3D-Drucks. Er erzählt, wie Würth diese Technologie vorantreibt, welche Herausforderungen damit gelöst werden können und wie sich die Zukunft des Handwerks durch additive Fertigung gestalten lässt.

Michael, magst du dich und deine Rolle im Zukunftsmanagement bei Würth kurz vorstellen?
Michael Worm: Seit April 2024 bin ich als Business Development Manager im Bereich Zukunftsmanagement tätig. Unser Team untersucht, wie das Geschäft, die Technologien, die Gesellschaft und Wirtschaft – kurz gesagt die Entwicklungen von Morgen – aussehen könnten und analysiert, ob es sich für Würth Deutschland lohnt, in diesen Geschäftsbereich einzusteigen. Sollte sich ein solider Business Case daraus entwickeln lassen, begleiten wir das Projekt bis hin zur Übergabe in die Kernorganisation. Im Vordergrund stehen die Identifikation und Entwicklung von Wachstumschancen, der Ausbau strategischer Partnerschaften und die Schaffung langfristiger Werte. Für das Geschäftssegment des 3D-Drucks haben wir einen soliden Geschäftsplan entwickeln können, den es nun umzusetzen gilt. Dementsprechend beschäftige ich mich zur Zeit mit dem Business Development für den 3D-Druck bei Würth Deutschland und schlüpfe dabei z. B. auch in die Rolle eines Produktmanagers.

Was hat euch motiviert, das Thema 3D-Druck speziell für das Handwerk anzugehen?
Michael Worm: Additive Manufacturing oder auch umgangssprachlich 3D-Druck genannt, ist eigentlich eine noch junge Technologie, die ihren Ursprung in den 80er Jahren hatte. In diesen Jahren sind auch die meisten der heute am Markt erhältlichen 3D-Druck Technologien entstanden. Erst seit dem Auslauf der ursprünglichen Patente hat sich die Technologie bis heute rasant weiterentwickelt und große industrielle Player haben den Fortschritt vorangetrieben. Mit dem Hype von 2013 sind wir auf den Gipfel der überzogenen Erwartungen zugesteuert, den wir mittlerweile überschritten haben und wir befinden uns auf dem Weg aus dem Tal der Enttäuschungen in Richtung produktiver Anwendungen. Die Konsolidierung des Marktes hat bereits begonnen und aus den Ausbildungsberufen und den Studiengängen wächst die nächste Generation an Arbeitskräften heran. Für diesen Nachwuchs ist die 3D-Druck Technologie bereits eine selbstverständliche und gelebte Technologie. Mit den gesunkenen Einstiegspreisen bei gleichzeitig gestiegener Qualität nutzen immer mehr Endkonsumenten 3D-Druck auch im privaten Bereich. Mögen es aktuell meist schnell gefertigte Muster und Funktionsprototypen sein, geht der Weg vermehrt in Richtung Ersatzteile, Montage- und Haltevorrichtungen bis hin zu Kleinserien und somit auch in Richtung Handwerk. Aufgrund der leichten Automatisierbarkeit und weiterer Technologiesprünge hat der 3D-Druck langfristig das Potenzial, nicht nur die Herstellung von Gegenständen, sondern auch die Logistik-, Beschaffungs- und Produktionsprozesse in Industrie und Handel zu revolutionieren. An dieser Zukunft möchten wir uns beteiligen und unseren Kunden den Zugang zu diesen Mehrwerten ermöglichen.

Welche Herausforderungen im Handwerk habt ihr durch den 3D-Druck lösen wollen?
Michael Worm: 3D-Druck sollte genau dort zum Einsatz kommen, wo es eine einfache Herausforderung zu lösen gilt – und nicht, wie es auf vielen Fachkonferenzen und Messen zumeist dargestellt wird, um hochkomplexe Aufgaben aus der Luft- und Raumfahrtbranche zu lösen. Es können Bauteile sein, für deren Werkzeugfertigung der Aufwand zu hoch oder gar zu teuer wäre, die uns aber in unseren Alltagsprozessen unterstützen. Für den nächsten Kunden sind es die Bohrschablone, die Montagevorrichtung oder das Zubehör für den Exzenterschleifer, um zum Beispiel die Schleifmedien zentrisch zu platzieren. Die individuelle Nutzung und eine großartige Community, die sich gegenseitig Bauteile zur Verfügung stellt, verdeutlichen die realen Mehrwerte. 3D-Druck ist sozusagen eine Hilfe zur Selbsthilfe.

Gab es einen bestimmten Moment, der euch gezeigt hat, dass 3D-Druck der richtige Weg ist?
Michael Worm: Nachdem wir für unsere Kunden im ersten Schritt ein systemisches 3D-Druck Handelswarenportfolio aufgebaut hatten, haben wir vermehrt das Feedback erhalten „Endlich können wir alles aus einer Hand erhalten, wieso fangt ihr erst jetzt damit an, wir beschäftigen uns schon seit Jahren mit diesem Thema“. Viele Vertriebskollegen und Vertriebskolleginnen hat dieses Feedback verblüfft und so auf eine einfache Art und Weise den „Stein ins Rollen“ gebracht. Zu einem Wandeln gehört auch immer ein bisschen Mut und die innere Offenheit für Neuerungen. Sollte man dennoch diesen Mut für sich fassen wird man am Ende zumeist belohnt und bleibt auch nachhaltig geschäftsfähig. Selbst Herr Prof. Dr. h. c. mult. Reinhold Würth hat einmal gesagt „Ich wollte schon immer wissen, was hinterm Berg und ums Eck ist.". Neugier ist also der Anfang von allem und Neugier ist auch die treibende Kraft hinter unserem Tun bei Würth. Und genau dies trifft auch für den 3D-Druck zu. Ich bin stolz, dass wir so viele neugierige Kunden haben, die offen für den Weg in die Zukunft sind.
Welche Vorteile bietet der 3D-Druck für Handwerksbetriebe ganz konkret?
Michael Worm: Das Handwerk hat vielfältige Facetten, und für jede Handwerkerin bzw. jeden Handwerker ergeben sich aus den alltäglichen Herausforderungen unterschiedliche Vorteile des 3D-Drucks. Im Allgemeinen können jedoch die Individualisierung, die Sonderanfertigung ab der Losgröße 1, keine Mindestbestellmenge, ein hoher Designfreiheitsgrad, geometrische Freiheiten, die werkzeuglose Fertigung, eine Produktion auf Nachfrage, die kundenindividuelle Auftragsfertigung, eine beschleunigte Produktentwicklung, schnelle Reparaturanwendungen und der Druck von Betriebsmitteln aufgeführt werden.

Gibt es spannende Beispiele, wo Handwerksunternehmen bereits von euren Lösungen profitiert haben?
Michael Worm: Verschiedenste Beispiele unserer Handwerkskunden verdeutlichen den Mehrwert und die Erleichterung im Arbeitsalltag durch die Nutzung von 3D-Druck. Beispiele dafür sind Zentrierhilfen, Werkzeughalterungen & Werkstattausrüstungen, Vorrichtungen, maßgeschneiderte Montagehilfen, Sortier- oder Markierungshilfen, Schablonen und viele verschiedene schnelle Hilfsmittel. Aber es können nicht nur eine Verbesserung des Komforts sondern hingegen auch der Qualität oder der Funktionalität sein, die einen Mehrwert ergeben. Kundenindividuell gefertigte Einzelteile bis hin zu Kleinserien sind gute Beispiele dafür.
Wie wollt ihr das Thema 3D-Druck bei Würth weiter voranbringen?
Michael Worm: Seit Beginn dieses Jahres ist unsere Marketingkampagne zu unserem systemischen Produktportfolio entlang der gesamten 3D-Druck-Prozesskette gestartet, die noch bis Ende April weiterläuft. Parallel dazu haben wir uns bereits mit weiteren Themen befasst und arbeiten daran. Mitte Januar haben wir auf der BAU Messe in München an unserem Stand einen Blick in die Zukunft des 3D-Drucks gewagt. Wir sind stolz darauf, unsere Partnerschaft mit Siemens Digital Industries Software & Partbox präsentieren zu können. Unseren Besuchern haben wir gezeigt, wie einfach es sein kann, Bauteile direkt aus unserem digitalen Lager (e-Shop) zu personalisieren und zu drucken. Jedes Bauteil wurde speziell für den 3D-Druck entwickelt und validiert und konnte mit der Siemens Mendix Software von unseren Messebesuchern konfiguriert werden. Mit dem Partbox Gateway haben die Besucher ihre angepassten Teile live auf einem Prusa Research 3D-Drucker gedruckt, was zu qualitativ hochwertigen Ergebnissen mit garantierten Materialeigenschaften geführt hat. Auch in diesem Jahr wird es wieder zahlreiche 3D-Druck Fachmessen geben und wir planen Webinare, Schulungen und einen Kundentag.
Kannst du uns schon etwas über kommende Projekte oder Technologien verraten, die darauf aufbauen?
Michael Worm:
Unsere Vision ist es, eine Würth 3D-Druck Community Plattform für Industrie und Handwerk zu entwickeln. Doch was bedeutet das eigentlich genau? Es soll u.a. eine Plattform
- zum Austausch für die User der Community
- zum Wissens- und Transfermanagement (Schulungen durch Dokumente, Tutorials, Videos, Erfahrungsberichte, Foren)
- für die globale Beschaffung von Kundenbauteilen auf Basis der der Anforderungen und der CAD-Daten unserer Kunden
- für den Transfer von 2D Zeichnungen in 3D Volumenmodelle
- für KI generierte Bauteile
- für Bauteil-Konfiguratoren
- für den bedarfsgerechten 3D-Druck über unsere Niederlassungen
- für ein digitales Warenlager von Bauteilen wie zum Beispiel Ersatz-, Zubehör- und Serienteilen
werden. Kurz gesagt ein digitales Ökosystem für die fortschrittliche Fertigung und Produktion. Dabei sollen nicht nur 3D-Druck Fertigungsverfahren Bestandteil sein, sondern auch konventionelle Fertigungsverfahren wie zum Beispiel Dreh- und Fräsverfahren.

Was fasziniert dich persönlich am meisten am Thema 3D-Druck?
Michael Worm: Als Business Development Manager bin ich von Natur aus neugierig und mich fasziniert grundsätzlich die Möglichkeit in der Gemeinschaft etwas neues mit Mehrwert zu formen. Dabei stehen für mich die Menschen im Mittelpunkt, denn ohne die Begeisterung meiner Kolleginnen und Kollegen lässt sich ein derartiger Change Prozess nicht umsetzen. Die brillanteste Technologie und die optimiertesten Prozesse sind nur so stark wie die Ablehnung oder die emotionale Akzeptanz und Integration. Kurz gesagt ist es eine Grundvoraussetzung, dass die 3D-Druck Technologie gelebt und als Mehrwert verstanden wird. Aufgrund der leichten Automatisierbarkeit und weiterer Technologiesprünge hat der 3D-Druck langfristig das Potenzial, nicht nur die Herstellung von Gegenständen, sondern auch die Logistik-, Beschaffungs- und Produktionsprozesse von Industrie und Handwerk zu revolutionieren.
Möchtest du dem Handwerk abschließend noch etwas mit auf den Weg geben?
Der 3D-Druck wird von Jahr zu Jahr leistungsfähiger. Es ist jedoch nicht das Ziel, jedes Werkstück oder Produkt nur noch damit herzustellen. Zumindest zurzeit kann der 3D-Druck nicht mit dem Skaleneffekt einer Massenproduktion konkurrieren und muss es meiner Meinung nach auch gar nicht. Aber mit dieser Technologie hat ein Umdenken begonnen und ein Wandel eingesetzt. Der Respekt vor einer disruptiven Technologie, die einmal vieles ablösen könnte, hat diesen Wandel beschleunigt. 3D-Druck birgt grundsätzlich in sich das Potenzial, durch weitere Technologiesprünge disruptiv werden zu können. Selbst wenn dieser Fall nicht eintritt, rate ich davon ab, dem Kodak-Effekt zu folgen und aus Angst, das eigene Geschäft zu kannibalisieren, die Scheuklappen vor einer Technologie aufzusetzen. Daher ist es gut, die Technologie, deren Chancen und die Prozesse dahinter kennenzulernen und zu verstehen. 3D-Druck ist eine Chance und kann uns helfen, den Alltag leichter zu gestalten. Anregungen können die vereinfachte Lieferkette, reduzierte Transportkosten, eine kostengünstige Produktion, nachhaltige Produkte mit reduziertem Materialeinsatz oder auch ein reduzierter Arbeitsaufwand sein. Am besten ist es, sich persönlich der Technologie anzunähern, indem man es selber ausprobiert und dabei feststellt, ob man sich dafür begeistern kann.
Der 3D-Druck hat sich vom Hype zu einer greifbaren Technologie mit echten Mehrwerten entwickelt. Wie Michael im Interview beschreibt, eröffnet die additive Fertigung nicht nur neue Möglichkeiten für Handwerksbetriebe, sondern verändert auch langfristig Prozesse und Geschäftsmodelle. Nico Maier, verantwortlich für das Zukunftsmanagement bei Würth, beleuchtet, wie diese Technologie in unsere Strategie eingebunden ist und was sie für die Zukunft des Handwerks bedeutet.

Nico, kannst du uns kurz erklären, was das Zukunftsmanagement bei Würth genau macht und wie der 3D-Druck als Thema in eure Strategie passt? Welche Rolle spielt er für die Zukunft des Handwerks?
Das Zukunftsmanagement bei Würth gibt es jetzt seit etwas über einem Jahr. Wir fokussieren uns auf zukunftsgerichtete Produkt- und Sortimentsthemen für unsere Kunden und sind damit auch im Innovationszentrum CURIO beheimatet. Uns geht es bei unserer Arbeit vor allem darum, dass wir auf die Zukunft vorbereitet sind und uns möglichst frühzeitig mit Trends, Technologien und neuen Geschäftsmodellen auseinandersetzen. Je früher wir als Unternehmen aktiv werden, umso mehr Zeit haben wir, um Antworten auf neue Zukunftsthemen zu finden und können diese frühzeitiger in unsere Entwicklungsprozesse einfließen lassen. Genau deswegen passt der 3D-Druck sehr gut in unsere Strategie. Zum jetzigen Zeitpunkt ist der 3D-Druck im Handwerk noch nicht flächendeckend im Einsatz. Das heißt aber auch, dass hier noch kein Marktbegleiter im großen Stil aktiv ist und wir somit noch reichlich Potenzial haben, alles vorbereiten können und wenn der Markt bereit ist, sind wird es auch. Diesen Vorlauf können wir uns als Unternehmen nicht in jedem Feld erlauben, ganz klar. Daher ist es auch wichtig, den 3D-Druck zunächst etwas außerhalb der regulären Prozesse aufzubauen und dem Ganzen etwas mehr Zeit zu geben. DASS die Zeit reif sein wird und der 3D-Druck eine wichtige Rolle für die Zukunft des Handwerks spielt, daran glauben wir fest. Unsere Handwerkskunden sind im Herzen alle auch irgendwo Tüftler und wollen Neues schaffen. Der 3D-Druck bietet genau diese Möglichkeit: Neues schaffen in Verbindung mit technologischen Möglichkeiten am Zahn der Zeit.